Die Schreibmaschine ist die Waffe
Tüschendorfer Autor will mit seinen Büchern ökologisches Bewußtsein wecken
Lilienthal (bko). Offen, kritisch, engagiert - mit diesen Attributen schmückt sich gern das Niels-Stensen-Haus. Das bekräftigte auch der Direktor der Erwachsenenbildungsstätte, Dr. Stefan Scheid, als dort unlängst zu einer Buch-Premiere mit dem Herder-Verlag geladen wurde. Das neueste Werk des in Tüschendorf wohnhaften Autors Nikolai von Michalewsky heißt "Im Kielwasser des Todes" und läßt sich am ehesten mit der Bezeichnung umweltpolitischer Jugendroman charakterisieren. Scheid bezeichnete es in seiner Einleitung als Markenzeichen des Hauses, neue Themen anzugehen - hier die Bewahrung der Schöpfung, die als Diskussionsgegenstand inzwischen an Popularität gewonnen hat. Diese Einrichtung könnte nun helfen, mit Organisationen wie Greenpeace oder BUND ins Gespräch zu kommen und Schwellenängste abzubauen.
Ein Schritt in diese Richtung der - vom Schriftsteller beabsichtigten - Ökologischen Bewußtseinsbildung war zweifellos diese Buchpräsentation, wenn auch der ganz große Besucher-Zustrom ausblieb. Ferner fehlte entschuldigt der Vertreter der Umweitorganisation Greenpeace, der einen kommentierenden Text verlesen ließ.
Doch zunächst zur Hauptsache, dem neuen, in der Herder-Reihe "Grüner Auftrag für Fortuna" erschienenen 230 Seiten starken Buch. Es ist übrigens das 50. Werk des unter verschiedenen Namen arbeitenden von Michalewsky. Die Mark-Brandis-Serie dürfte zu den Bestsellern zählen. Auch als Fernseh-Regisseur und Verfasser von Hörspielen machte sich der Autor einen Namen. Nach einigen Jahren in Afrika fuhr von Michalewsky lange Zeit zur See, entdeckte beim Tauchen seine Liebe zum Meer, was nun in den dritten Band der "Grünen-Auftrag-Reihe" mündete. Ziel dürfte die Leserschaft vor allem zwischen zehn und 16 Jahren sein. Mit spannender, realitätsnaher Fiktion hatten es auch schon Christa Wolf ("Störfall") und Gudrun Pausewang ("Die Wolke") verstanden, das Augenmerk ihres Publikums auf die bedrohte Umwelt zu lenken.
Von Michalewsky nun wendet sich vor allem der Jugend zu, wobei das vielfältig vom Menschen bedrohte Mittelmeer den Schauplatz bietet. Bei "Im Kielwasser des Todes" handelt es sich um das Oberthema "Giftmüll und Giftmüll-Export". Dem sind einige Jugendliche der Öko-Organisation "Marenostro" mit ihrem Schiff "Fortuna" auf der Spur. An der türkischen Küste sind Kinder nach dem Baden im Meer gestorben - genau da, wo ein Küstenschiff regelmäßig angeblich ungefährlichen Industriemüll ablädt. Mehr soll an dieser Stelle nicht über den Inhalt verraten werden.
Herder-Verlagslektor Anton Baumeister hatte zu dem Werk, das durch den "Oostzee"-Transportunfall noch an trauriger Aktualität gewonnen hat, einige Anmerkungen zu machen. Er hält die literarische Form der Serie für geeignet, die "unendliche Geschichte der Hiobsbotschaften" in Sachen Umwelt nicht nur einmalig sondern umfassend zu durchleuchten. Der Autor könne so seine Grundidee - Leser auf sie unmittelbar angehende Probleme hinzuweisen - viel besser entfalten und dabei der Zeit auf der Spur bleiben. Und wieder einmal war es zu hören: "Wir können nicht weiter so gedankenlos mit unserer Umwelt umgehen wie bisher."
Das sieht auch Nikolai von Michalewsky so, der "heute das Gewehr gegen die Schreibmaschine getauscht" habe. Und er findet - mit Blick auf in Jugendbüchern vorgenommenen Eingriffe: "Es schmälert die Wahrheit nicht, wenn man die Wirklichkeit verändert." Nicht Abbild, sondern Sinnbild solle die Lektüre vermitteln. Wie für Konrad Lorenz mache für ihn das optimistische oder pessimistische Herangehen den Unterschied aus, ob es nun kurz vor oder schon kurz nach zwölf sei. Baumeisters Aussage formuliert der Schriftsteller denn auch positiv um:
"Unsere Pflicht ist es, dafür zu sorgen, daß die Erde bewohnbar bleibt."
Die gesamte Präsentation wurde durch den Liedermacher Jochen Wiegandt Ex-"Liederjan"-Mitglied - musikalisch beeindruckend untermalt. Sein mal stimmungsvoller, mal zynischer Gitarren-Protest in Lied und Wort fügte sich harmonisch in die nur mäßig besuchte Veranstaltung ein. Betroffen schweigend wurde schließlich der Kommentar des erkrankten Greenpeace-Vertreters vernommen. Er recherchiert selbst als Angehöriger er "Waste Trade Campaign" - Abfallhandel- Kampagne - seit zwei Jahren über Giftmüll - Exporte in die Türkei. Die hat vor einigen Monaten ein Importverbot für sich beschlossen.
Natürlich freut sich Greenpeace, daß solche Bücher wie die von-Michalewsky-Reihe verlegt werden. Er sieht in der detailgetreu geschriebenen Neuerscheinung eine typische Greenpeace-Geschichte: "maritim, detektivisch und verschworen". Das Engagement werde als notwendig, sinnvoll und erfolgsversprechend dargestellt. Ebensowenig werde aber auch der Schmerz und die Verletztheit darüber verschwiegen, dabei zuweil von anderen ausgenutzt zu werden.
Außerdem könne der jugendliche Leser die Relativität des Rechts begreifen lernen. Er werde in seinem Aufbegehren als mündiger Mensch ermutigt. Von Michalewsky habe die "moralische Legalität des Ungesetzlichen gegen die formale Legalität der Macht gestellt". In dem Buch bringen die Serien-Helden mit verdeckten, rechtswidrigen Methoden die Aktivitäten eines "Giftoberst" an die Öffentlichkeit. Erst das "höhere Recht auf Leben und Unversehrtheit" machte ihn zum gemeinen Kriminellen.
Artikel aus der WÜMME-ZEITUNG vom 18.09.1989