Vorgestellt von Stefan Finger
Das Jubiläumssonderband beinhaltet unter dem Titel "Aufbruch zu
den Sternen" sechs Geschichten aus dem Leben einiger uns
wohlbekannter Personen der bisherigen 25 Bände, die, von acht
farbigen (je doppelseitigen Abbildungen futuristischer
Landschaften, Bauwerke oder Raumschiffen untermalt (wie immer;
Robert Andrè), insgesamt stattliche 175 Seiten vorzuweisen
haben.
Im Gegensatz zu dem bekannten "Mark Brandis Testbuch", welches rein
aus 14 Auszügen der bis dahin erschienenen Bände besteht, schildern
die einzelnen Kapitel des Sonderbandes Erlebnisse und Ereignisse
aus dem Leben von lwan Stroganow, Grischa Romen, William Xuma,
Brandis als Kind, sowie ein gemeinsames Abenteuer von Brandis und
Stroganow.
Die sechste und letzte Geschichte stellt einen ganz besonderen
Leckerbissen für alle Science-Fiction Freunde dar. An einem
regnerischem Abend landet auf Cape Kennedy eine museumsreife
Karavelle, wie sie der wachhabende Offizier vom Dienst, Fisher,
noch nicht gesehen hat. Kurz darauf verlässt ein Astronaut in
Begleitung eines etwa drei Jahre alten Mädchens das seltsame Schiff
und rennt auf die Baracke zu. in denen Fisher seinen Augen immer
noch nicht traut. In altem Amerikanisch, das in der EAAU schon
lange von der künstlichen Einheitssprache "Metro" verdrängt und
ersetzt ist, beginnt der Astronaut fröhlich auf Fisher einzureden,
wundert sich jedoch. wie sehr sich Cape Kennedy doch verändert
hätte, schließlich wäre er doch nur 5 Jahre fortgewesen.
Wie sich schließlich herausstellt. handelt es sich bei dem
anscheinend Verrückten um Commander Edward O'Hara und um seine
Tochter Ruth. Im Jahre 2011 war die Karavelle zur Verfolgung des
Halleyschen Planeten ausgesandt worden und bei jener Mission
verschollen. Commander O Hara leitete das Unternehmen und verliebte
sich in ein Mitglied seiner Crew, der Navigatorin Janet Morgan. Von
dem Kometen praktisch beiseite geschleudert findet sich die Crew in
der Nähe von Alpha-Zentauri wieder und beschließt die Landung.
Alpha entpuppt sich als erdähnliches Paradies, auf dem die Crew auf
den nächsten Kometen warten will, der sie wieder
zurückkatapultieren soll. Der Commander heiratet seine Navigatorin,
wird Vater und muß aber am Tage der Abreise mit ansehen, wie der
Rest seiner Crew samt Janet von den räuberischen "Wesen" des
Planeten getötet wird und flieht.
Somit erfährt der Leser erstmals näheres über die Herkunft von Mark
Brandis späteren Frau Ruth. Zwar würde ich jene Geschichte mit dem
Titel "Heimkehr eines Astronauten" als die zweifelslos
Phänomenalste bezeichnen, doch sind die Anderen nicht minder
interessant und spannend.
"Aufbruch zu den Sternen" erzählt von dem knapp 15 Jahre alten
Brandis, der sich an Bord des Raumfrachters Barbarossa als Blinder
Passagier erwischen läßt. Brandis will unbedingt auf die Venus. Ein
Meteoriteneinschlag zwingt das Schiff zur Notlandung auf der
einsamen Gefängnisstation Thora, deren Wachmannschaft von den
Gefangenen überwältigt wurde. Vom Regen in die Traufe geraten sitzt
die gesamte Crew in der Zelle, während die Übeltäter das
beschädigte Raumschiff reparieren. Nur Brandis aufgeweckter Natur
ist es zu verdanken, daß alles gut endet. Wie ? - Wird nicht
verraten. Auf der Venus angekommen setzt sich der gerettete
Commander derartig für den Blinden Passagier ein, daß dieser bald
in die Astronautenschule aufgenommen werden darf.
Der Grundstein einer steilen Karriere ist gelegt.
"Der Tag plus" berichtet, wie Iwan Stroganow doch noch seine
geliebte Mascha heiraten darf, William Xuma muß in "Der Egomat"
seinen Bruder als einen von den VOR manipulierten Menschen
kennenlernen, Commander Brandis und Lieutnant Stroganow geraten im
folgenden Kapitel in die Gefangenschaft von Gilbert Crown, der
ehemals rechten Hand des Psychomechanikers Henry Warren, bekannt
aus 'Kurrier zum Mars". Wie immer gelingt es ihnen aus ihrer
unangenehmen Lage zu entkommen und entdecken dabei auch noch den
"Wyatt-Earp Faktor", der dann übrigens auch als Titel dieser
Geschichte dient.
Während die Herkunft Ruth O'Hara's sicherlich die aufregenste und
beeindruckendeste Geschichte ist, und Mark Brandis Weg zum
Astronauten eher amüsant und unterhaltsam geschildert wird, stellt
"Floby Dich" das zweifellos rühendeste Kapitel dar. (Nicht
vergessen: Alles Geschmacksache) Wer "Kurier zum Mars" kennt. der
weiß, was ein FLOB ist. Der Staatsstreich ist gescheitert, die
MOB's werden ausgerottet und nach und nach gelingt es der
strategischen Raumflotte, sämtliche Flob's aufzubringen, die
ehemaligen Taraus-Zerstörer ohne Cockpit werden verschrottet und
die menschlichen Gehirne in aller Stille beigesetzt. Nur einem FLOB
scheint es gelungen zu sein, sich abzusetzen und zieht nun schon
seit Jahren einsam und friedlich dahin, erschreckt von Zeit zu Zeit
völlig unbeabsichtigt Schiffsbesatzungen, obwohl er doch eigentlich
nur ein wenig Plaudern möchte. Ein einsamer Geist unter den
Sternen, ohne Erinnerung, ohne Freunde, ohne Heimat - ein
bemitleidenswerter, armer Kerl. Die Weltöffentlichkeit hat sich
angesichts seiner offensichtlichen Harmlosigkeit beruhigt und die
Existenz des Monstrum wird stillschweigend geduldet. Doch wie immer
taucht auch diesmal ein Unbelehrbarer vom Format eines John Huston
auf und versucht die Gelegenheit zu nutzen, um sich als
Großwildjäger beweisen zu können. kehrt aber recht schnell mit
einem zusammengeschossenen Schiff heim. Enrico Caruso, ehemaliger
Koch unter Commander Brandis, nimmt die Chance wahr, wieder in
seinem geliebten Beruf arbeiten zu dürfen, Köche werden kaum noch
gebraucht. Bedauerlicherweise klettert Caruso ausgerechnet in dem
Moment, als der zu Unrecht gefürchtete FLOB auftaucht, außenbords
herum, wird von dem verantwortungslosen Großwildjäger, der sich die
Zeit des Einschleusens ersparen will, sich selbst überlassen und
gerät mitten in einen Meteoritenschwarm hinein - für einen
ungeschützten Menschen im All der sichere Tod. Als Grischa Romen
mit dem Rettungskreuzer "Florence Nightingale" zum Ort des
Geschehens vorstößt, bietet sich ihm ein ebenso erschütternder, wie
überwältigender Anblick: Der FLOG hat sich als massives Hindernis
"vor" den driftenden Caruso geschoben und ihm somit das Leben
gerettet. Er selbst hat mit dieser letzten guten Tat endlich den
ewigen Frieden gefunden, einen Tod unter den Sternen - einem
ausgewachsenem Meteoritenfeld ist selbst ein Taurus-Zerstörer nicht
gewachsen.
Alles in allem ist das Jubiläums-Sonderband ein "Muß" für jeden
Mark Brandis-Fan. Wer es nicht gelesen hat, der hat wirklich etwas
verpaßt. Allerdings scheint ausgerechnet am Sonderband gespart
worden zu sein, denn beim häufigen Nachschlagen zur Erarbeitung
dieser Besprechung fingen die Seiten bereits verdächtig an zu
knacken - bald werden sich wohl schon die Ersten lösen.
Wie dem auch sei - Der Inhalt ist ein echter Leckerbissen!