Interessengemeinschaft Mark Brandis

Küsten im Sturm & Im Kielwasser des Todes

undefined Küsten im Sturm

- Grüner Auftrag für Fortuna -

von Stefan Finger

Zweihundertsiebenunddreißig Seiten, einundzwanzig Kapitel, ein kurzer Prolog sowie eine ausführliche Wort- und Begriffserläuterung am Ende des Buches bilden den zweiten Band der leider wenig erfolgreichen Serie "Grüner Auftrag für Fortuna". Der zweite Band der grünen Serie knüpft thematisch und gestalterisch an das Pilotbuch an. Jedes einzelne der Kapitel wird mit einem kleinen Artikel zur Information der Zielgruppe "junge Leser" eingeleitet und beinhaltet Berichte und Statements zu dem Fehlverhalten des Menschen gegenüber der Natur im Allgemeinen oder weist auf mehr oder weniger bekannte Umweltverbrechen hin, präsentiert Statistiken oder definiert den Begriff Umwelt zum besseren Verständnis des abgestumpften Lesers, der sich unter dem Schlagwort Umweltschutz vor lauter kontroverser Diskussionen und Horror-Meldungen der Medien kaum noch etwas genaues vorzustellen vermag, und nicht mehr weiß, daß die Umwelt nicht irgendwo in der Ferne beginnt sondern direkt dort, wo er selber geht und steht.

Im Vordergrund der Serie steht der engagierte Versuch auf Mißstände, Gefahren und Verbrechen hinzuweisen. Von dem gar nicht zu erfassenden Gebiet der ökologischen Katastrophen, von den atomaren Verseuchungen, der Luftverschmutzung, der Grundgewässerbelastung, den hohen Ozonwerten in Bodennähe und dem Mangel an Ozon in großer Höhe, den Schadstoffbelastungen durch den Straßenverkehr, den Haushalten, den Fabriken und Industrieanlagen, dem sauren Regen, dem Waldsterben, den Giftgaskatastrophen und dem Weltraumschrott, der unsere Erde dank 35 Jahren Raumfahrt mittlerweile umkreist, hat sich von Michalewsky nur ein kleines Teilgebiet herausgefischt, welches ihm persönlich offensichtlich recht nahe steht: die Verschmutzung des Mittelmeeres und dessen Küsten. Die Hauptperson stellte im ersten Band ein Deutscher namens Roberto dar, der wegen seiner Herkunft "il tedesco" genannt wird und seinen kargen Lebensunterhalt mittels ein wenig Fischerei, in der Hauptsache aber durch Bergungsarbeiten und anderen Spezialaufträgen zusammen mit seinem jungen Gefährten namens Marc Bergère, kurz Marco, verdient.

In dem vorliegenden Band kommt Roberto, il tedesco allerdings aufgrund der Übernahme eines Unterwasserjobs für die Firma Comex in der Adria nicht mehr vor und Marc übernimmt während der Zeit seiner Abwesenheit das kleine Boot "Fortuna" die Geschäfte des besten Zwei-Mann-Teams im Mittelmeer. Er läßt sich von der Umweltschutzorganisation Marenostro auf Charterbasis anheuern um ein kleines Team von Umweltschützern, die sich am auf der Insel Razzoli zwischen Korsika und Sardinien befindet und Seehunde beobachtet, mit Lebensmitteln und Informationen im Auftrage Marenostros zu versorgen, solange deren wichtigstes Schiff, die Servator Maris, wegen Maschinenschaden ausgefallen bleibt. Die kleine Gruppe ambitionierter Umweltschützer, die ohne jedes Entgelt in Wind und Wetter aushalten und eine Familie schwarzweißer Mönchsrobben solange beobachten und zum Beweis ihrer Existenz auch photographieren will, bis die UNEP, das Umweltsekretariat der Vereinten Nationen, endlich einem der Anrainerstaaten ein garantiertes Stück Mittelmeer als Reservat für die bedrohte Tierart abhandeln kann, besteht aus Martina Moneda, Gerd Bolte und Johnny Kirk.

Ihr Einsatz gilt dem Schutz der bedrohten Tiere, die es sich aber leider in den Kopf gesetzt haben, sich an einem Küstenabschnitt niederzulassen, der demnächst bebaut werden soll und damit als Lebensraum unbrauchbar wird. Mit ihren Aktionen hetzten sich die Umweltschützer natürlich die Hintermänner, die Geldgeber und all jene auf den Hals, die von dem Bauprojekt profitieren würden - vom einfachen Bauarbeiter, dem jedes Projekt, und sei es noch so schädlich für die Umwelt, Lebensmittel und Unterkunft für seine Familie verschafft, bis hin zum Spekulanten, der seinen Reichtum vergrößern möchte. Doch nicht nur für die unmittelbar Beteiligten stellen die Angehörigen Marenostros eine Bedrohung dar, selbst die einfachen Fischer stehen den friedlichen Robben feindlich gegenüber, da diese ebenso wie übrigens auch Delphine eine ernstzunehmende Konkurrenz im Fischfang darstellen. So führen die Ökos einen schier aussichtslosen Kampf gegen den Rest der Welt, den sie nur verlieren können, in den nun auch Marco hineingezogen wird. Kurz nach der Übernahme des undankbaren Auftrages merkt er bald, wie weit die Arme der Hintermänner und Geldgeber reichen können und wird in einem seiner unzähligen Heimathäfen nur noch ungern gesehen, obgleich er dort nur wenige Tage zuvor noch auf einige Freunde zählen konnte und sich jeder Unterstützung und Hilfe erfreute. Diesem Rückschlag folgt unmittelbar ein Bestechungsversuch, nach dessen Ablehnung der erste Anschlag auf die Fortuna, später ein zweiter und zum guten Schluß wird das Lager der Tierschützer vernichtet, die nun ohne jeden Schutz der rauhen Witterung preisgegeben sind.

Wie es weitergeht? Wird nicht verraten. Schließlich soll diese, nun, sagen wir Buchbesprechung keine Zusammenfassung mit Verlauf und Finale werden, eher eigentlich ein Anriß und eine Kritik, die das Buch - nicht ohne kritisch und wie immer ungemein subjektiv zu urteilen - schmackhaft machen soll und nicht die gesamte Story vorwegnimmt. Die Bezeichnung "Vorstellung" würde dem angestrebten Ziel dieser Ausarbeitung noch am ehesten gleichkommen.

undefined Im Kielwasser des Todes
Ich gehe nicht ohne guten Grund in nur geringem Umfang auf die Handlung dieses zweiten grünen Bandes ein, dient diese doch nur als Aufhänger für die in der zweiten Reihe zu findenden Aussage über den Wert und im übrigen auch über die Brotlosigkeit des Idealismus, desweiteren über die Methoden und Vorgehensweisen radikaler Bauunternehmer und Spekulanten und deren Nutznießer sowie die auf den ersten Blick unverständlich erscheinende und hierzulande sicherlich auch weitgehend unbekannte Feindseligkeit der Fischer einigen Meeresbewohnern gegenüber. Die oberste Priorität des Autors lag sicherlich in dem Versuch, die Bevölkerung über die Zielgruppe der jugendlichen Leser zu erreichen und diese auf die Problematik und den Stand der Dinge Welt aufmerksam zu machen und, wie man so schön sagt, wachzurütteln. Das erste Ziel dieser Bücher bestand sicherlich darin, den unbeteiligten deutschen Leser ein wenig über den halsbrecherischen Idealismus einiger weniger zu unterrichten und der üblichen Flut nüchterner Pressemeldungen und Tagesschauberichten ein wenig Leben einzuhauchen sowie dem jugendlich-unbedarftem Leser ein solides Fundament aus Hintergrundwissen und Verständnis zu gießen, auf dem die tagtäglichen Schreckensmeldungen überhaupt Fuß fassen können und diese der Gruppe der Leser dieser Öko-Romane somit zugänglich zu machen. Doch da der drohende Zeigefinger und die gutgemeinten Lehren immer in einer atemberaubend spannenden, mitreißenrenden, teilweise rührenden, tragischen sowie mitunter auch komischen Story verpackt sein müssen um vom kritischen Leser nicht direkt bemerkt zu werden stellen die schlappen Handlungen der zumindest ersten drei Bände - der Vierte liegt ja immer noch nicht vollständig vor - den größten Minuspunkt der grünen Serie dar. Die Charaktere der Protagonisten sind nicht stark und präsent genug, um in den Genuß einer Identifizierung zu kommen, die Welt des Meeres scheint zu feindselig, als daß man sich dorthin begeben möchte, das kleine Boot Fortuna stellt keine Heimat dar, wie es, wenn man mir den Vergleich gestattet, die Raumschiffe des Commander Brandis taten.

Dies ist auch die Begründung für meine Entscheidung, den dritten Akt der grünen Serie nicht mehr gesondert vorzustellen. Ich möchte es hiermit bei einer aus meiner Feder stammenden Besprechung des ersten und des hier vorliegenden zweiten Bandes aus den oben genannten Gründen belassen, da sich außer der Handlung, die ich als - wenn man mir die impertinente Bemerkung erlauben möchte - ebenso nebensächlich erachte wie die des zweiten Bandes, nichts erwähnenswertes verändert hat. Der Hintergrund selbstverständlich, und das möchte ich mit aller Deutlichkeit feststellen, ist von nicht minderer Bedeutung für die Menschheit, die Welt und vor allem für unser aller Zukunft als der ersten Bände und sollte in jedem Fall als bemerkenswert ambitionierter Vorstoß für den Schutz der Umwelt gewertet und als solcher in höchstem Maße geachtet werden. Übrigens, Alfredo il tedesco taucht auch im dritten Band der Serie nicht mehr auf.

Fazit : Die Personen dieses Buches bleiben dem Leser ebenso fern wie die der anderen Bände, sie geben keinerlei Figuren zur Identifizierung ab, keine Menschen, denen man helfen oder beistehen möchte, mit anderen Worten, sie ziehen den Leser - meiner bescheidenen und gerne in unzähligen Leserbriefen zu attackierenden Meinung nach - kaum in ihren Bann. Dennoch haben wir es hier mit einem lesenswerten und ambitioniertem Buch zu tun, das jeder wahre Umweltfreund und jeder Verehrer von Nikolai von Michalewsky auf jeden Fall gelesen haben sollte. "Küsten im Sturm" vermittelt dem Leser die Dualität der Problematik "Umwelt- und Tierschutz", die nicht nur das Überleben der Robben und anderer Tierarten sondern auch Leben, Lebensqualität und Lebensraum für den Menschen speziell in der Industrie, im Tourismus und in der Hoch- und Tiefbaubranche betrifft, die von der Bebauung des Landes und der Küsten leben und selber Kinder aufziehen müssen - ebenso wie die Seehunde. Wären die Handlungen dieser Bücher ein wenig bunter, ein bißchen spannender, mit einer Prise Humor und vielleicht noch einer Spur mehr Tragik versehen worden, so hätte sich der schlaffe Aufhänger zu einem starken Zugpferd gewandelt und die vielleicht ein wenig in den Hintergrund gedrängten Lehren und Hinweise besser zur Geltung gebracht, als es in der vorliegenden Fassung geschehen ist. Manchmal ist weniger eben doch mehr. Doch wir wollen nicht in das Laster der Überheblichkeit hinabgleiten - ein solches oder eben überhaupt ein Buch zu schreiben - das muß man Nikolai von Michalewsky erst einmal nachmachen.