Ein Interview mit dem Autor der Weltraumpartisanen
von Volker Niemeyer
Im Jahre 1970 legte sich der deutsche Autor Nikolai von
Michalewsky das Pseudonym Mark Brandis zu, und veröffentlichte beim
Freiburger Herder-Verlag den ersten Band "Bordbuch Delta
VII".
Damit begann eine der erfolgreichsten SF-Serien, die je von einem
deutschen Autoren verfaßt wurde. Nach diesem ersten Band erschienen
jährlich ein bis zwei weitere Romane, bis die Reihe 1987 mit dem
31. Band "Geheimsache Wetterhahn" eingestellt wurde. Grund hierfür
war ein schroff zurückgehendes Leserinteresse.
Der Autor, geboren 1931 in Dahlewitz, Kreis Teltow und auf den
Namen Nikolai von Michalewsky getauft, veröffentlichte neben seiner
populärsten Serie Mark Brandis auch unter dem Pseudonym Nick Norden
die Serie "Kernwort P" in vier Bänden von 1979 bis 1980, ebenfalls
im Herder-Verlag. Dieser Reihe war jedoch kein Erfolg beschieden,
wie auch der Omega 2-Serie, die es 1982/83 sogar auf nur zwei
Romane brachte, erschienen beim Loewes-Verlag in Bayreuth. Diese
schrieb er als Bo Anders.
Der heute in Grasberg / Niedersachsen wohnende Autor verfaßte neben
seinen SF-Romanen jedoch auch Dokumentationen über Seefahrt und
Fischerei, führte hierbei teilweise auch Regie.
Hauptmerkmal bei seinen Romanen ist die Fähigkeit des Autoren.
aktuelle Themen wie Polizeistaat, Genmanipulation, Terrorismus,
Atommüll in eine spannende Handlung, nämlich die des
Raumschiff-Commanders Mark Brandis, in der zweiten Hälfte des 21.
Jahrhunderts zu verpacken. Dabei geht es ihm vorangig darum, ein
humanitäres und moralisches Engagement zu vermitteln, dies jedoch
ohne den "erhobenen Zeigefinger".
Nikolai von Michalewsky (NvM) stellte sich der
Interessengemeinschaft Mark Brandis (IMB) im Oktober 1992 zu einem
Briefinterview zur Verfügung.
IMB: Bevor ich mit den Standardfragen beginne, gibt es Pläne für der Fortsetzung der Weltraumpartisanen?
NvM: Um eine Fortsetzung der "Weltraumpartisanen" - mit diesem Serientitel überraschte mich der Verlag Herder ohne Absprache - zu bewirken, muß schon ein Wunder geschehen. Ursache des Abbruchs war Herdersche Mißwirtschaft: Konzeptionslosigkeit, mangelnde PR- Arbeit, wohl aber auch hauseigene Intrigen, die dem für die Serie zuständigen Lektor galten. Ein anderer Verlag müßte Interesse anmelden und sich interessieren für die von mir ursprünglich mittels Generationswechsel beabsichtigte Zeitverlagerung der Serie. Und ich selbst müßte mich prüfen, ob ich geneigt wäre weiterzumachen. Im Augenblick würde die Antworten lauten: Nein. Andererseits sind Weichen gestellt worden für die Eroberung des russischen Marktes. Und das heißt: Man soll nie nie sagen.
IMB: Wie kam es zu Mark Brandis. Wann kam die Idee, war gleich eine ganze Serie geplant und war Herder der einzige Verlag, dem Sie den Roman vorgelegt haben?
NvM: Nachdem ich dem Verlag Herder eigene Stoffe angeboten
hatte, die dort anfangs nicht die richtige Heimat fanden,
überraschte mich der Lektor Anton Baumeister mit der Anfrage. ob
ich bereit wäre, für Ihn einen SF-Roman zu schreiben. Auf dem
Sektor ohne Erfahrung auch ohne Neigung, erbat ich Bedenkzeit. Dann
aber entwickelte ich mein Konzept...
Und dazu gehört auch, daß ich, während ich diese Frage beantworte,
in Gedanken wieder auf dem Schlachtfeld von Borodino stehe, wo ich
vor nunmehr 6 Tagen wieder einmal stand, auf dem Schlachtfeld von
1812.
Und weiter gehört dazu, daß meine geliebte Großtante, die ein
knappes Jahr vor ihrem 100. Geburtstag in völliger geistiger
Frische starb, noch einen Menschen kannte, der seinerseits Napoleon
gekannt hatte. Dank ihrer Erzählungen wurde ein Jahrhundert
Geschichte für mich plötzlich greifbar.
Und so schlug ich schließlich vor: Unter Verzicht auf alle grünen
Marsmenschen ein Buch zu schreiben, in dem ich meine rückwärtigen
Erfahrungen übertrage auf den überschaubaren Zeitraum von rund 100
Jahren voraus.
Manches mag ich richtig gesehen haben, manches nicht, daß eine
Serie daraus entstehen würde, ahnte damals niemand.
IMB: Existiert ein Rahmenexposé für die Serie?
NvM: Ein Rahmenprojekt wurde nie entwickelt. Das lag am Verlag, der sich immer nur von einem Buch zum anderen festlegte, ein Umstand, der hinderlich gewesen ist für mich als Autor, weil ich nie recht wußte, ob es weitergeht oder nicht. Ich denke, daß Anton Baumeister, mein getreuer Lektor, unter dieser Kautschukpolitik des Verlages nicht weniger gelitten hat als ich.
IMB: In wie weit hatten Sie Einfluß auf die äußere Gestaltung der Romane?
NvM: Mit der äußeren Gestaltung war ich einverstanden, ich habe
nie den Versuch unternommen, darauf Einfluß zu nehmen. Oder? Doch,
einmal - ich glaube als es um "Die lautlose Bombe" ging - habe ich
um Änderung gebeten.
Aber da war es schon zu spät.
IMB: Herder hat immer eine sehr große Geheimniskrämerei um Sie gemacht. war das von Verlagsseite so gewollt oder war es in Ihrem Interesse?
NvM: Die Geheimniskrämerei, wie sie daß nennen, lag wohl im verkaufstaktischen Interesse des Verlages, doch auch in meinem. Das Pseudonym sollte die Serie klar abgrenzen von meinen übrigen Arbeiten. Dahinter stand die Erfahrung mit der hiesigen Buchkritik, die es nicht verdauen kann, wenn ein Autor polithistorischer Romane (Viktor Karelin) auch als SF-Autor bezeichnet. Oder umgekehrt.
IMB: Pseudonyme sind recht verbreitet in Autorenkreisen. Über zwei habe ich in der Einleitung schon etwas berichtet, was erschien jedoch unter dem Pseudonym Viktor Karelin? Hatten Sie daneben noch andere verwendet?
NvM: Ihre Frage nach dem Pseudonym Viktor Karelin ist damit schon beantwortet. Weiter schrieb ich eine nach vier Bänden abgebrochene Serie unter dem Namen Nick Norden: "KENNWORT P".
IMB: Waren Sie auch in anderen Genren (z.B. Abenteuer, Horror usw.) schriftstellerisch tätig?
NvM: Gegen Horror habe ich etwas, damit mögen sich andere
abgeben. Und Abenteuer? Gott, man sagt mir ein abenteuerliches
Leben nach. Aber die Wirklichkeit ist die: Abenteuer, das waren
mißliche Situationen, die man möglichst mit heiler Haut überstehen
wollte.
Kurz gesagt: Nur ein Narr zieht aus, um das Abenteuer zu
suchen.
Und so ist in meinen Büchern das "Abenteuer" allenfalls Moment und
Anlaß zur moralischen Entscheidung.
IMB: Unter der Serie "Kennwort P" erschienen zwischen 79/80 vier Romane. Über die Reihe ist mir nichts bekannt, könnten Se etwas darüber schreiben? Wann spielte sie, wer waren die Protagonisten, was die Handlung?
NvM: Hier spielte die Zukunft gewissermaßen schon in der Zukunft, gefaßt in die Frage; "Was wäre, wenn". Zum Beispiel was wäre, wenn in Kalkutta, wie von ernsthaften Wissenschaftlern prognostiziert, die Pest ausbräche. Oder wenn unter der Einwirkung eines Erdbebens der Assuan-Staudamm bräche? Hauptprotagonist der Serie war Farmer, ein Mann mit zwielichtiger Vergangenheit, der vom Schicksal immer wieder gefordert wird, sein kriminelles Talent in den Dienst des Guten zu stellen. Die Moralisten des Jugendbuches nahmen ihm dem Fleck auf der weißen Weste - Entwendung von einer Million Dollar aus der Kasse der US-Army in Deutschland - so übel, daß die Serie abgebrochen werden mußte. Heute dächte man wohl anders, aber das Kind liegt nun mal im Brunnen. Aus meiner Sicht war dies eine sehr gute Serie. In ihr konnte ich mich ohne SF-Umwege engagieren. Das bekam Ihr auch sprachlich.
IMB: Das gleiche gilt für "Omega 2..." aus dem Loewes-Verlag. An welches Publikum sollten sich die Romane verstärkt wenden?
NvM: Um auf "Omega 2..." zu kommen... Das waren zwei mit den Mitteln der SF erzählte Weltraummärchen, die ich gern über viele Bände weitergesponnen hätte. Doch Loewes vermochte sie nicht zum Kaufen zubringen, vielleicht, weil er zu sehr die Werbung auf SF setzte, als hierzulande die Weichen schon umgestellt waren.
IMB: Wie sieht es zur Zeit mit anderen Projekten aus? Sehr interessant wäre es auch, etwas über Ihre Arbeit bei Funk und Fernsehen zu erfahren. Sind Fischerei und Seefahrt Hobbies von Ihnen, oder haben Sie sie erwerbsmäßig betrieben?
NvM: Andere Projekte? Zur Zeit arbeite ich an einem kulturellen Portrait der Stadt Sankt Petersburg. Daneben läuft meine Arbeit für den Hörfunk. Um einen Einblick zu verschaffen, liste ich die anstehenden nächsten Sendungen auf:
- Ein Bombenjob - Kriegsmüll auf dem Meeresgrund
- Nach uns die Sintflut? - Ein Jahr nach Rio
- Weiße Nächte - Sommer in St. Petersburg
- Straße der Dealer - Die Rauschgiftroute durch das Rif-Gebirge
- Mt Schnellboot und Kalaschnikow - Piraten heute
Na. und so weiter: Früher drehte ich für das Fernsehen
Dokumentarfilme. Doch das Progammsprektrum hat sich verändert, ist
mies geworden. Für das, was ich einzubringen hätte, ist kein Raum
mehr. Und Unterhaltung? Wie gut, daß es noch immer das alte gute
Dampfradio gibt. Dort kann ich Kriminalstücke absetzen, in denen
kein Serienkommissar vorkommen muß. Und in die mir keine Meute
profilierungsgeiler und dilettantischer Redakteure
hineinpfuscht...
Na ja, und zum Hintergrund all dessen? Als Taucher verdiente ich
mein erstes Geld. bezahlte ich mein erstes Boot. Das Boot, das ich
heute fahre, FORTUNA, ist mein viertes. Das Meer läßt mich nicht
los. Es sei denn, ich ging nach Russland, um Rinder zu züchten. Und
genau das habe ich vor.
IMB: Herzlichen Dank für die Beantwortung der Fragen!