Das etwas andere Museum
von Anton Kratz
Es war ein strahlender Sonntag, als ich mich ins Computer- und
Videospielemuseum in der Rungestraße 20, Berlin aufmachte.
Normalerweise hätte ich mir wohl "Nischt wie raus an Wannsee!“
gedacht, aber da das Museum nur Sonntags von 12 - 20 Uhr geöffnet
hat, blieb mir nichts anderes übrig, als mich statt in den Sonnen-,
in den Monitorschein zu begeben.
Nachdem man den happigen Eintritt von 7,- DM (Kinder und
Sozialhilfeempfänger 3,50 DM) entrichtet hat, kann man die zwei
Räume des Museums betreten - und wird wahrscheinlich enttäuscht
werden.
Denn das Museum hat nur wenige wirklich rare und interessante
Exponate vorzuweisen. Ein Highlight ist ein Vectrex mit
Lichtgriffel und 3D-Brille. Wenn man höflich fragt, kann man die
Konsole auch antesten (wie alles im Museum); der 3D-Effekt ist
übrigens genial! Die Tiefenwirkung kommt gut rüber, und Farbe gibt
es plötzlich auch auf dem Vectrex.
Der "kleine" Bruder des Vectrex, Microvision, ist auch vorhanden.
Er liegt zusammen mit anderen Uralt-Handhelds in einer Vitrine, die
neben dem ersten und einzigen(?) in Deutschland indizierten
CCD-Spiel noch ein echtes Kuriosum enthält: eine Art
Miniatur-Galaxian-Automat. Dieses Teil ist von der Form her wie ein
Spielhallenautomat aufgemacht, komplett mit Original
Galaxian-Schriftzug und Bemalung. Dank zweier, ca. 2 cm hoher
Joysticks und Feuerbuttons ist auch simultanes(!) Spielen zu zweit
möglich.
Das verrückteste ist die Grafik: auf einer Platte sind alle
möglichen Situationen bunt vorgezeichnet; die Platte wird dann
durch darunter liegende Glühbirnchen auf den neuesten Stand
gebracht, so ähnlich wie bei den alten Game & Watch. Ein
wirklich cooles Gerät, daß angeblich für 8 Mark auf dem Flohmarkt
erstanden wurde - Glück muß man haben!
Absoluter Höhepunkt ist ein Tempest-Automat (mit deutscher
Spielanleitung), Ich war zwei Stunden nicht vom Automaten
wegzukriegen, und nun träume ich Nachts davon, wie es wäre, Tempest
mit 3D-Brille zu spielen...
Dann gibt es noch seltsam anmutende DDR-Konsolen und ein
DDR-Automat. Von echten Eigenentwicklungen kann man hier aber wohl
kaum sprechen.
Davon abgesehen findet sich im Computer- und Videospielemuseum nur
noch (meiner Meinung nach) Schrott: C 64, Amiga, Apple, Mac, Mega
Drive, Playstation und wie sie alle heißen... Hier setzt auch meine
negative Kritik an: die wirklichen Schätzchen gehen im Haufen der
vielen Konsolen und Computer, die jeder hat(te) und kennt,
unter.
Einen Eindruck über die Entwicklung und Bandbreite der Computer-
und Videospiele bekommt man nicht, dazu fehlen z.B. mindestens ein
sowjetischer Mechano-elektrischer Automat; dieser Weg, den die
Sowjets einschlugen, wurde dort ja bis zur Perfektion getrieben
(wer vor vielleicht 10 Jahren in einer russischen Spielhalle war,
weiß, was ich meine).
Auch sonst ist kein einziges Interton-Gerät, kein Virtual-Boy, kein
Jaguar, keine PC-Engine ausgestellt, um nur einige zu nennen. Die
Idee des Computer- und Videospielemuseum ist zwar gut, mangels
interessanter Spielgeräte und konsequenter Mischung lohnt sich ein
Besuch nicht, außer man ist Vectrex- oder Tempest-Fanatiker (so wie
ich).